Rüebli – der Aargauer Stolz mit asiatischem Migrationshintergrund


Manchmal braucht es keine Exotik, kein Superfood aus Übersee – manchmal reicht ein Rüebli. Dieses schlichte, orange Gemüse begleitet uns durchs Leben wie ein stiller Freund. Schon Babys knabbern drauf rum, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Und irgendwie ist es das auch.

 

Das Rüebli – oder Karotte, wie man ausserhalb der Schweiz sagt – gehört fest in unsere Gärten, Küchen und Herzen. Es ist robust, genügsam und voller Geschmack. Mal süss, mal würzig, je nach Sorte. Besonders spannend: die alten Pfälzer Rüebli, nicht so glatt, dafür herber und mit Charakter.

Und ja, der Aargau trägt seinen Übernamen als Rüeblikanton mit Stolz. Hier wurde besonders fleissig und früh angebaut – und vielleicht auch besonders gerne gegessen.

 

Ich nehme dich mit auf eine kleine Reise zum Rüebli: von seinen Ursprüngen über den Garten bis zum Teller. Und glaub mir, es ist viel spannender, als du denkst.



So bescheiden es sich gibt, das Rüebli hat mehr erlebt als manch ein Weltreisender. Ursprünglich stammt es nämlich nicht aus dem Aargau (obwohl man das dort fast glauben könnte), sondern aus Zentralasien – aus dem heutigen Afghanistan, um genau zu sein. Damals noch violett, weiss oder gelb. Orange? Keine Spur.

 

In der Schweiz hielt das Wurzelgemüse schon früh Einzug – lange bevor es hip war. Man sprach weniger vom Rüebli, mehr von der Wurzel – oder setzte auf die gute alte Steckrübe, die, wenn wir ehrlich sind, kulinarisch doch etwas… naja… rustikaler daherkam.

 

Dann kam das Küttiger Rüebli: eine elegante, weisse Karottensorte mit Schweizer Wurzeln – im Aargau grossgezogen, robust, charakterstark und definitiv kein Supermarktmodel. Und doch fast vergessen. Bis ein paar Idealisten es wiederentdeckten und dem «alten Chnorz» neues Leben einhauchten.

Dass unsere Karotte heute orange ist, verdanken wir den Niederländern – sie züchteten im 17. Jahrhundert das Orange Rüebli, angeblich zu Ehren ihres Königshauses. Ob’s wirklich wegen Willem von Oranien war oder weil’s einfach hübsch aussah – wer weiss. Fakt ist: Die Orange wurde süsser, zahmer, marktfreundlicher. Und sie blieb.

 

Warum nun der Aargau Rüeblikanton heisst? Weil hier einst landauf, landab fleissig Rüebli gezogen wurden. Und weil man hier offenbar gerne isst, was gut tut – und im Zweifel lieber zur Wurzel greift als zur Banane. Ein Hoch also auf das Rüebli: weltoffen, traditionsreich – und mit einer Karriere, die sich sehen lassen kann. Vom Feld bis auf die Speisekarte. Aber dazu kommen wir später.



Rüebli – knackige Gesundheit mit Nebenwirkungen fürs Sehvermögen

Du willst besser sehen? Iss Rüebli. So heisst es zumindest seit Generationen. Und ganz ehrlich: So falsch ist das gar nicht. Denn Rüebli sind randvoll mit Beta-Carotin, der Vorstufe von Vitamin A – und genau dieses Vitamin spielt eine Hauptrolle beim Sehen, besonders bei schwachem Licht. Also ja: Wer öfter mal im Zwielicht nach dem Hausschlüssel sucht, darf ruhig zugreifen.

 

Aber aufgepasst: Das Rüebli ist nicht allein auf weiter Flur. Tatsächlich gibt’s Gemüse mit noch mehr Karotin. Spinat, Federkohl oder Süsskartoffeln liefern ebenfalls kräftige Mengen – aber geben wir’s zu: So elegant und alltagstauglich wie ein Rüebli kommen sie selten daher.

 

Roh oder gekocht? Die grosse Glaubensfrage. Tatsächlich wird Beta-Carotin vom Körper besser aufgenommen, wenn das Rüebli gekocht ist – und erst recht, wenn ein bisschen Fett (z. B. Olivenöl) dabei ist. Roh bleibt’s dafür knackiger, frischer, der perfekte Snack. Also: am besten beides!

 

Sommer oder Winter? Auch hier ist das Rüebli ein Alleskönner. Im Sommer liefert es leichte Frische für knackige Salate und hilft mit Antioxidantien gegen freie Radikale. Im Winter steckt’s voller Energie und ist eine ideale Zutat für Suppen und Eintöpfe. Und ganz ehrlich – Rüeblitorte geht sowieso immer, Jahreszeit hin oder her.

 

Kurz gesagt: Das Rüebli ist ein Gesundheitspaket mit Biss. Es macht nicht nur die Augen schärfer, sondern bringt auch Farbe, Leichtigkeit und Vitamine auf den Teller. Und wer weiss – vielleicht siehst du nach ein paar Portionen sogar klarer, was du heute kochen willst.



Kaum ist das Kind da, ist auch schon das Rüebli im Spiel. Im Brei. Auf dem Lätzchen. Und manchmal auch in der Nasenspitze. Kein anderes Gemüse wird so selbstverständlich als „erstes Löffelchen“ gereicht wie das Rüebli. Warum? Weil’s orange ist. Weil’s süss ist. Und weil’s so schön brav pürierbar ist. Das perfekte Anfänger-Gemüse also.

 

Aber Moment mal. Muss es wirklich immer das süsse orange Rüebli sein? Was ist mit den alten Sorten – wie dem Pfälzer Rüebli? Die bringen zwar weniger Zucker mit, dafür mehr Charakter. Und vielleicht wäre genau das ein feiner Start in die Geschmackswelt: Nicht gleich alles auf süss trimmen, sondern das ganze Spektrum von Anfang an entdecken lassen. Denn mal ehrlich: Wenn Babys gleich mit dem Dessert starten, wird’s später schwierig, den Brokkoli zu verkaufen. Studien zeigen, dass Geschmäcker früh geprägt werden. Wer also von Anfang an auch herbe, erdige oder bittere Noten kennenlernt, schreckt später weniger vor grünem Gemüse zurück.

 

Aber natürlich – ich verstehe dich. Der kleine Spatz hat Hunger, und du brauchst einen Treffer. Und den liefert das orange Rüebli fast garantiert. Trotzdem: Vielleicht lohnt sich zwischendurch ein Löffel vom Küttiger oder Pfälzer Rüebli. Einfach, um zu zeigen: Nicht alles was Wurzel ist, muss süss sein.

Und wer weiss – vielleicht hast du dann eines Tages ein Kind, das freiwillig Sellerie isst. Nur so als Idee.



Wenn du einen Garten hast und mindestens zwei linke Daumen, dann fang mit Rüebli an. Ehrlich. Die sind so genügsam, dass sie auch ohne Coaching wachsen – vorausgesetzt, du gibst ihnen ein bisschen lockeren Boden und Geduld. Denn das mögen sie: Sandige, steinfreie Erde, tief gelockert, damit sie schön lang und gerade wachsen können – also nicht gerade auf dem alten Parkplatzbeet, okay?

Rüebli mögen es sonnig bis halbschattig, vertragen aber auch mal ein bisschen Vernachlässigung. Was sie nicht mögen: ständiges Umsetzen oder zu viel Dünger. Einfach säen, angedeckt lassen, giessen – und dann still beobachten. Geduld ist hier wirklich ein Thema, denn es dauert gerne mal 2–3 Wochen, bis sich das erste zarte Grün zeigt.

 

Apropos Grün: Kann man das Rüeblikraut essen? Ja! Und wie! Das zarte Kraut schmeckt leicht herb und erinnert ein bisschen an Petersilie (also: Peterli). Du kannst es fein gehackt in Pesto, Suppen, Smoothies oder einfach als Deko verwenden. Aber Achtung: Nicht jedes Rüeblikraut ist gleich lecker – bei Supermarktkarotten kann es bitter sein oder behandelt. Im eigenen Garten oder frisch vom Markt? Volltreffer!

 

Und noch ein Tipp: Wenn du Rüebli in Etappen aussäst, hast du den ganzen Sommer über Nachschub. Und glaub mir – es gibt kaum etwas Befriedigenderes, als dein eigenes Rüebli auszubuddeln und es noch mit Erde an den Wurzeln in die Küche zu tragen. Also: Grab die Hände in die Erde, pflanz ein paar Rüebli – und freu dich, wenn sie sich zeigen. So einfach kann Gärtnerglück sein.



Rüebli gehören in jede Küche. Punkt. In die Alltagsküche sowieso. Weil sie einfach da sind. Weil sie sich lange halten. Und weil sie sich in jede Mahlzeit einschmuggeln lassen, ohne Drama. In der Suppe? Immer. Im Eintopf? Geht nicht ohne. Im Ofengemüse, im Curry, im Salat – oder roh mit Dip. Sie sind wie die freundliche Nachbarin: immer verfügbar, immer unkompliziert.

 

Und trotzdem – genau da beginnt die Magie. Denn wenn du das Rüebli mal nicht als Nebendarsteller siehst, sondern als Star, passiert was. Rüebli mit Kreuzkümmel im Ofen geröstet. Oder mit Honig glasiert. Rüeblisalat mit Orangenfilets und Minze. Eine feine Rüeblisuppe mit einem Hauch Ingwer. Und für die mutigen Tage: Rüebli in der Pasta. Ja, wirklich.

 

Und wenn du denkst, das war’s schon – dann wirf einen Blick in die Sterneküche. Hier wird das Rüebli nicht einfach gekocht, sondern fermentiert, konfiert, sous-vide gegart, geschichtet, geschäumt oder karamellisiert. Plötzlich ist da ein Rüebli-Tatar auf dem Teller. Oder ein Rüebli-Sorbet. Oder ein vegetarisches Carpaccio, das mit hauchdünnen Rüeblistreifen daherkommt wie Haute Couture. Und trotzdem ist es: nur ein Rüebli.

 

Am Ende bleibt die Erkenntnis: Dieses Gemüse muss sich nicht anstrengen, um Eindruck zu machen. Es muss nur ernst genommen werden.

Stöbere durch die Rezepte von ANDERSTGEMACHT und erlebe, wie du aus dem Rüeblikraut ein einmaliges, frisches Pesto zauberst.